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Besser wild als gezüchtet?!

22-08-2022

Der Verzehr von Wildfleisch wird häufig als tierfreundlichste und ökologischste Möglichkeit gesehen Fleisch zu essen. Schließlich spricht auch vieles dafür: Wildtiere wie Rehe, Wildschweine und Hasen leben in regionalen Wäldern, bis zum Tod haben sie ein artgerechtes Leben, sie werden nicht künstlich mit Antibiotika gesund gehalten und der Transport zum Schlachthof bleibt ihnen erspart. Mit der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein steigt somit auch das Interesse am Fleisch wildlebender Tiere. Besondere Aufmerksamkeit erhält das Thema spätestens seitdem die Corona-Krise die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie in die Schlagzeilen gerückt hat. Gäste suchen nach Möglichkeiten eines ethischen Fleischverzehrs und zeigen Bereitschaft Neues auszuprobieren. Damit entwickelt sich Wildfleisch vom Herbst-/Winterklassiker zum Alljahres-Allrounder für den bewussten Genuss.

Mit dem Fokus auf Wildfleisch werden jedoch auch neue Fragen aufgeworfen: Wie nachhaltig ist es wirklich? Dürfen wir (wilde) Tiere töten? Und wenn ja, mit welcher Begründung? Was ist für den Wald das Beste? Und welche Jagdstrategien sind für Natur und Tier am schonendsten? All diese Fragen können und müssen wir für einen reflektierten Fleischkonsum gesellschaftlich diskutieren. 

Mit diesem Beitrag machen wir einen Anfang.

 

Wildfleisch im Nachhaltigkeitscheck

Schadet die Jagd dem Ökosystem Wald oder hilft sie ihm eher?

Etwa ein Drittel der deutschen Landesfläche ist bewaldet. Hier leben Tiere und Pflanzen in komplexen Ökosystemen zusammen. Die Jagd ist ein menschlicher Eingriff in natürliche Lebensräume mit positiven sowie negativen Folgen für Wälder und ihre Bewohnenden.

1. Verbiss schadet Bäumen

Junge Baumtriebe, Knospen und frisches Blattgrün sind ein gefundenes Fressen für Wildtiere. Dieser sogenannte „Verbiss“ stellt jedoch ein drängendes ökologisches Problem dar. Werden junge Setzlinge oder gar gewachsene Bäume verbissen, können sich diese nicht mehr erholen. Ihr Wachstum wird verlangsamt und reduziert, bis sie im schlimmsten Fall sogar absterben. Durch die Klimakrise sind wir jedoch mehr denn je auf die Verjüngung der Wälder sowie die Entwicklung stabiler und gesunder Mischwälder angewiesen, die der Trockenheit besser standhalten. Heimische Wildtiere haben kaum noch natürliche Feinde. Um den Verbiss gering zu halten und den Wäldern eine Erholung von Borkenkäfern und Dürre möglich zu machen, ist eine Jagd der Tiere notwendig. Gleichzeitig verschlimmert sie jedoch das Problem: Die Jagd drängt Wildtiere in den Wald, wo das Nahrungsangebot gering ist. Besonders Hirsche und Rehe meiden freie Flächen und finden in den Waldgebieten nur wenige Gräser oder andere Nahrungsquellen, weshalb sie Baumtriebe anfressen. 

2. Ungleichgewicht durch Überpopulation

Einige Wildtierarten, darunter Dachse, Waschbären und Wildschweine, haben sich in den letzten Jahren deutlich vermehrt. Die Population der Wildschweine hat sich seit 1998 in Deutschland mehr als verdoppelt. Wie so oft liegt die Hauptursache im Klimawandel: Ohne das Eingreifen des Menschen führt Nahrungsmangel dazu, dass Überpopulationen zusammenbrechen. Der Wildschweinbestand wird insbesondere durch harte Winter reguliert, in denen nur wenig Nahrung zur Verfügung steht. Seit die Winter wärmer sind, fehlt dieser Faktor und die Population explodiert. Zusätzlich profitieren die Tiere von einem erhöhten Nahrungsangebot durch Mais-, Raps- und Weizenfelder sowie Bucheckern und Eicheln. Diese gibt es reichlich in sogenannten Mastjahren – die ebenso als Folge des Klimawandels häufiger geworden sind. Allerdings versorgen auch Jagende die Wildtiere im Winter mit Nahrung und überbrücken damit Engpässe. So wird die Wildtierpopulation künstlich hochgehalten, damit anschließend möglichst viele Tiere getötet werden können. Und auch die Jagd selbst trägt dazu bei, dass sich Wildtiere schneller vermehren. Studien zeigen eindeutig, dass Wildschweine, Hirsche und andere Wildtiere unter Jagddruck ihre Fortpflanzungsrate erhöhen, etwa indem sie sich schon in jüngerem Alter fortpflanzen. Je stärker sie gejagt werden, desto mehr Nachwuchs zeugen sie.

Ein ungebremstes ausbreiten der Wildtiere hätte dramatische ökologische Folgen. Steigt die Anzahl an Wildschweinen, Waschbären und Dachsen, steigt somit auch die Gefahr für Beutetiere, insbesondere für seltene Bodenbrüter und Amphibien, die schon jetzt unter Artenschutz stehen. Außerdem wäre mancherorts die Verkehrssicherheit und Landwirtschaft gefährdet. Unter diesen Aspekten ist die Jagd einiger Tierarten dringend notwendig.

3. Klimatische Auswirkungen

Im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion, die die rasante Erderwärmung maßgeblich unterstützt, führt der Konsum von Wildfleisch zu deutlich geringeren Umweltbelastungen. In der Viehzucht werden Tiere überwiegend mit Soja gefüttert, das in fernen Ländern in Monokulturen angebaut wird und auf diese Weise lebenswichtige Ökosysteme zerstört. Zudem verbraucht der Futtermittelanbau weltweit den größten Trinkwasseranteil. Neben den langen Transporten, bei denen Unmengen an CO2 emittiert werden, stoßen Wiederkäuer das umso klimaschädlichere Gas Methan aus. Durch Gülle und Nitrat wird unser Grundwasser verschmutzt. Da Wildtiere (in der Regel) weder gefüttert, noch in Ställen gehalten werden, kommen diese Aspekte bei Wildfleisch kaum zum Tragen. Somit können die negativen Auswirkungen der Fleischproduktion vermindert werden, indem der Fleischkonsum deutlich minimiert und konventionelles Fleisch zunehmend durch Wildfleisch ersetzt wird. Dies würde unserem gesamten Planeten und damit auch dem Ökosystem Wald zugutekommen.

 

Wie steht es um das Tierwohl?

1. Lebensraum und -bedingungen

Wilde Tiere leben in ihrem natürlichen Lebensraum und können sich in der Regel frei bewegen. Eine Ausnahme stellen sogenannte Wildgatter dar, in denen die Tiere eingezäunt werden und somit in die Entwicklung einer natürlichen Lebensgemeinschaft von Wild und Wald eingegriffen wird. Im Vergleich zur Viehzucht werden Wildtiere nicht auf den maximalen Fleischertrag gezüchtet, in enge Ställe gepfercht und mit Antibiotika und Nahrungsergänzungen „vollgestopft“. Aus diesen Gründen wird der Konsum von Wildfleisch als vergleichsweise ethisch angesehen.

2. Jagddruck

In Anwesenheit von Menschen wechseln Wildtiere in einen besonders wachsamen Verhaltensmodus. Durch die Jagd werden sie in einen permanenten Angstzustand versetzt, der auch über die direkte Bedrohungssituation hinaus anhält. Ein besonderes hohes Stressniveau der Tiere wird bei Bewegungsjagden, wie der sogenannten „Drückjagd“ erreicht, bei der die Tiere aus ihrer Deckung „gedrückt“ und anschließend erlegt werden. Hier steigt insbesondere auch das Risiko, die Tiere nicht präzise zu treffen. Verwundete Tiere, die angeschossen flüchten, verfallen in einen besonders starken Panikmodus.

Möglichkeiten das Stressniveau der Tiere zu senken, bestehen beispielsweise in der Ausweitung von Jagdpausen und Ruhezonen sowie in der Anwendung schonender Jagdmethoden.

3. Tötung

Ein artgerechtes Leben in Freiheit und dann Peng und vorbei – diese Vorstellung  von einem kurzen, schmerzlosen Tod ist weit verbreitet und erscheint uns wesentlich besser als das Elend in den Mastställen und Schlachthöfen. Viele Jagende töten in der Tat nach höchstem tierschutzrechtlichen Gewissen und beabsichtigen einen möglichst leidensfreien und schnellzügigen Tod des Tieres. Klar formulierte Vorgaben für den Tierschutz bestehen aber neben der Vorschrift zur Beachtung der „Waidgerechtigkeit“ nicht. Und selbst bei guter Absicht trifft in der Realität längst nicht jeder Schuss perfekt. Schlechte Treffer, an denen Tiere stark verwunden, aber erst nach qualvollen Stunden oder Tagen verenden, verursachen unnötiges Leid.

Lösungsansätze um das Leiden der Tiere zu minimieren könnten sein, dass Jagende ihre Treffsicherheit regelmäßig in Prüfungen unter Beweis stellen müssen, um ihre Jagderlaubnis zu behalten und das der Tierschutz im Bundesjagdgesetz rechtlich besser abgesichert wird.

Lesenswerter Bericht Über das Töten und Leiden von Wildtieren

 

Fazit Umweltfreundlichkeit: Im Vergleich zu Fleisch von gezüchteten Tieren ist Wildfleisch in der Regel umweltfreundlicher, da eine energieintensive Aufzucht, die Erzeugung und Beschaffung von Futtermitteln sowie die intensive Boden- und Wasserbelastung entfällt. Teilweise kann durch die Jagd sogar das Ökosystem Wald unterstützt werden. Allerdings nur, da der vom menschengemachte Teufelskreis (Klimawandel führt zur Überpopulation -> Überpopulation macht Jagd notwendig -> Jagd erhöht Fortpflanzungsrate) bereits in Gang getreten wurde. Um Wildfleisch auf umweltfreundliche Weise zu konsumieren, sollte das Fleisch möglichst regional bezogen und in bewussten Mengen verzehrt werden.

Fazit Tierfreundlichkeit: Wilde Tiere führen in der Regel ein artgerechtes Leben in ihrem natürlichen Lebensraum. Im Vergleich zur Massentierhaltung ist der Prozess somit wesentlich tierfreundlicher. Die Frage ist jedoch, ob die Massentierhaltung in Punkto Tierfreundlichkeit überhaupt ein legitimer Vergleichswert ist, wo diese den Inbegriff von Ausbeutung darstellt.

Bei der Jagd wird auf tierschutzrechtliche Aspekte geachtet, gesetzliche Verpflichtungen sind jedoch ausbaubar. Ein Tod ohne Qualen ist nicht in jedem Fall gegeben. Geht es um Tierfreundlichkeit, bleibt grundsätzlich zu hinterfragen, ob ein Tötungsakt überhaupt „freundlich“ sein kann – und daraus resultierend, unter welchen Bedingungen er gerechtfertigt ist.

 

Worauf sollte beim Kauf von Wildfleisch geachtet werden?

Auch wenn Wildschweine, Rehe und Co. natürlich in deutschen Wäldern vorkommen, stammt ca. 40 Prozent des in Deutschland verzehrten Wildfleischs aus dem Ausland. Deutschland gehört zu den weltweit größten Abnehmern neuseeländischer Hirsche und importiert jährlich Tausende Tonnen Fleisch von Tieren, die gezielt für die Fleischproduktion in Gattern gehalten werden. Auch in Deutschland kommt dies vor. Wer Wildfleisch auf nachhaltige Weise konsumieren möchte, sollte auf eine regionale Herkunft achten und die zuvor beschriebenen Aspekte des Jagdprozesses kritisch hinterfragen.

Ehrlicherweise haben auch wir noch keine perfekte Lösung, setzen uns aber mit unserem Sortiment auseinander und hinterfragen Wertschöpfungsketten mehr und mehr. Anlässlich der bevorstehenden Wildsaison haben wir uns erneut bei unserem Hauptlieferanten Josef Maier erkundigt und können die folgenden Informationen an Sie weitergeben:

Das Wildfleisch von Josef Maier stammt ausschließlich aus Deutschland und Europa, überwiegend Osteuropa. Die Tiere wachsen in freier Wildbahn auf und werden nicht, wie in vielen anderen Fällen, aus kommerziellen Zwecken in Wildgehegen gehalten. Die Jagenden arbeiten nach den gesetzlichen Vorgaben zu Jagdmethoden und die Schonzeiten werden ebenfalls gemäß den gesetzlichen Vorgaben eingehalten. Die Tiere werden vor Ort weidmännisch versorgt und anschließend im Fell gekühlt bei Josef Maier im Allgäu angeliefert und zerlegt.

Treffen Sie auf Basis dieses Wissens gerne Entscheidungen, die für Sie ethisch vertretbar sind. 

 

Quellen 

https://www.bund.net/themen/naturschutz/jagd/

https://www.jaegermagazin.de/jagd-aktuell/news-fuer-jaeger/wild-im-stress/

https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/23531-rtkl-jagd-unterschaetztes-tierschutzproblem-zehntausende-rehe-verenden

https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/warum-sich-die-jagd-in-deutschland-veraendern-muss/

https://www.univerlag.uni-goettingen.de/bitstream/handle/3/isbn-978-3-941875-84-5/GoeForst5_Ammer.pdf?sequence=4&

 
 
 
 
 
 
 
 
Bild: iStock


Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Wildsaison, bei der Sie das Fleisch mit Bedacht und Wertschätzung einsetzen und Ihre Gäste auf diese Reise mitnehmen.

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