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Wer ist Schuld?

26-02-2024

In der Natur gibt es keine Schuld. Sie ist ein menschliches Konstrukt, um andere ins Unrecht zu setzen und zu manipulieren. Zugrunde liegen moralische Bewertungen über Ereignisse und Ergebnisse. 

Das Christentum hat das Konzept von Schuld und Sühne perfektioniert. Die Beichte und die Bitte um Vergebung sind ein Ausdruck davon. Im Mittelalter waren Inquisition und Ablasshandel extreme Folgen dieses Schuldkonzeptes. 

Es geht mir nicht um Religions- und Kirchenkritik, und es ist möglich, dass Schuldkonzepte auch in anderen Religionen verankert sind. Das kann ich gar nicht beurteilen. In einer mehrheitlich christlich geprägten Gesellschaft hat unsere Historie jedoch Konsequenzen. 

Die Suche nach der Schuld und den Schuldigen begegnet uns in allen Lebensbereichen. Das aktuelle Weltgeschehen zeigt uns die dramatischen Folgen einer moralisierten Politik. Aber auch in Unternehmen und im privaten Umfeld ist Schuld ein bewährtes Konzept. Wenn jemand anderes schuld ist, muss ich selbst keine Verantwortung übernehmen. Gerade in Unternehmen wird mit der Suche nach der/dem Schuldigen sehr viel Zeit verbracht. Neue Lösungsansätze findet man dabei nicht. Vielleicht ist nicht einmal klar, welches Ergebnis eigentlich gewünscht war. 

Bei der Schuldsuche geht es nicht mehr um das sich zeigende nicht gewünschte Ergebnis, sondern darum, die Schuldigen moralisch zu bewerten - zu entwerten. “Du bist schuld” richtet sich direkt an den Menschen, an seinen Seins-Zustand. Kein Wunder, dass sich Beschuldigte teilweise vehement gegen die Anschuldigung zur Wehr setzen. 

Häufig fühlen sich nicht nur die Beschuldigten als Opfer, sondern auch diejenigen, die einen anderen Menschen beschuldigen. Opfer zu sein schließt das Recht auf Rache quasi mit ein. Dabei ist Rache nicht immer ein großes sofort sichtbares Ereignis, sondern wirkt auch im Kleinen. Vielleicht spreche ich einfach mit einer anderen Person nicht mehr. Im Standpunkt-Coaching nennen wir das den Opferstandpunkt, der immer mit dem Täterstandpunkt einher geht. 

Ich halte das Konzept von Schuld und Moralität für nicht funktional. Es bietet keine Lösungsansätze, keine Zukunftsperspektiven, etwas zu verändern. 

Wenn wir uns die aktuellen Kriege in der Welt anschauen, allen voran den Ukraine- und den Gaza-Krieg, geht es nur noch darum, wer angefangen hat. Moralisch gesehen hat die andere Partei jedes Recht auf ihrer Seite. Jedes Mittel zur Selbstverteidigung scheint legitim zu sein. 

Vielleicht sollten wir Menschen in den Fokus rücken, die das Opfer-Täter-Spiel als erste beenden und nicht die, die damit angefangen haben.

André Schell
Geschäftsführung & Vertriebsleitung
 

 

Bilder iStock, Windmann

„Es geht nicht darum, wer angefangen hat, sondern 
wer als erstes aufhört.”

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